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Beendeter und unbeendeter Versuch – Definitionen, Beispiele und Prüfungsaufbau (Teil 2)

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1. Anschluss an den letzten Beitrag

Im letzten Beitrag unserer Reihe „Versuch & Rücktritt“ haben wir die Grundlagen des Versuchsrechts behandelt – von den gesetzlichen Grundlagen bis hin zur Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitung und Versuch.

Heute gehen wir einen Schritt weiter: Wir widmen uns der zentralen Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch. Dabei geben wir Ihnen nicht nur die sauberen Definitionen an die Hand, sondern auch die typischen Streitstände, anschauliche Beispiele und vor allem Hinweise, wie Sie das Ganze in der Klausur prüfen und sauber subsumieren.


2. Definitionen – der Grundgedanke der Unterscheidung

Im Mittelpunkt steht allein die Vorstellung des Täters nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung. Objektive Kriterien oder ein „Empfängerhorizont“ spielen hier keine Rolle – maßgeblich ist, wie der Täter selbst die Situation einschätzt.

Klausurreife Definitionen:

  • Unbeendeter Versuch: Der Täter glaubt, noch nicht alles zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges getan zu haben.
  • Beendeter Versuch: Der Täter geht davon aus, bereits alles Erforderliche getan zu haben, damit der Erfolg eintritt.

Eindeutige Merksätze:
Unbeendeter Versuch: Täter muss für den Erfolg noch etwas tun.
Beendeter Versuch: Täter muss nichts mehr tun, der Erfolg tritt nach seiner Vorstellung von selbst ein.

 

3. Beispiele aus der Klausurpraxis

  • Unbeendet: A sticht B mit einem Messer, nimmt aber an, weitere Stiche seien erforderlich, um B sicher zu töten. → Aus Tätersicht noch nicht abgeschlossen.
  • Beendet: A vergiftet den Kaffee des B und geht davon aus, B werde nun sicher sterben. → Aus Tätersicht ist alles getan.
  • Zwischenfall: A gibt B eine kleine Giftmenge, die objektiv nicht tödlich ist, glaubt aber, sie sei tödlich. → juristisch liegt ein beendeter Versuch vor, weil der Täter meint, der Erfolg trete nun ohne weiteres Zutun ein.

 

4. Klausurrelevanz der Ansichten

Entscheidend ist, schon vor der Subsumtion zu erkennen, ob der Sachverhalt eindeutig ist oder nicht.

  • Eindeutiger Sachverhalt: Ist klar formuliert, dass der Täter noch weitere Handlungen für erforderlich hielt (→ unbeendeter Versuch) oder dass er davon ausging, der Erfolg trete sicher ein (→ beendeter Versuch), reicht eine saubere Zuordnung anhand der Definitionen. Die Ansichten müssen nicht entfaltet werden.
  • Uneindeutiger Sachverhalt: Bleibt die Tätervorstellung unklar oder deutet der Fall auf typische „Zwischenfälle“ hin (z. B. Über- oder Unterschätzung der Wirkung), sind die Ansichten zur Abgrenzung darzustellen. Gerade in solchen Fällen erwartet die Korrektur, dass die Studierenden den Meinungsstreit kennen und methodisch korrekt darstellen.

Bonushinweis für die Praxis: In Klausuren, in denen der Versuch ausdrücklich zum Schwerpunkt gemacht wird, empfiehlt es sich, die Streitfragen zumindest kurz anzusprechen – auch wenn der Sachverhalt schon eine Richtung vorgibt.

 

5. Streit der Ansichten – mit Argumenten für den Streitentscheid

  • Subjektive Theorie (h. M.): Maßgeblich ist die Tätervorstellung nach der letzten Ausführungshandlung.
    • Argumente dafür: Rechtssicherheit, klare Abgrenzung, einfache Handhabung für die Klausur.
  • Eingeschränkt subjektive Theorie: Eine spätere Gesamtbetrachtung darf berücksichtigt werden, wenn der Täter seine Lage unmittelbar nach der Tat noch einmal überprüft.
    • Argumente dagegen: Rechtsunsicherheit, Gefahr der Verwischung klarer Abgrenzungskriterien.
  • Rechtsprechung (BGH): Schließt sich im Grundsatz der subjektiven Theorie an, nimmt aber Präzisierungen vor, wenn erkennbar Nachsteuerungen geplant sind.
    • Argumente dafür: Praxistauglich, flexibel.
    • Argumente dagegen: Gefahr einer Aufweichung des klaren Definitionselements.

Streitentscheid: In Klausuren empfiehlt es sich, der herrschenden Meinung zu folgen, da sie Rechtssicherheit bietet und auch die Linie der Rechtsprechung abdeckt. Führen Sie im Streitentscheid gezielt Argumente gegen die Gegenansichten an, um Ihre Lösung abzusichern

 

6. Bedeutung für den Rücktritt nach § 24 StGB

Bevor man die Frage nach beendetem oder unbeendetem prüft, muss in der Rücktrittsprüfung immer zuerst geprüft werden, ob der Versuch fehlgeschlagen ist.

  • Fehlgeschlagener Versuch: Der Täter erkennt nach seiner letzten Handlung, dass er den Erfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr herbeiführen kann. → Ein Rücktritt ist dann ausgeschlossen.
  • Nicht fehlgeschlagener Versuch: Der Täter kann den Erfolg nach seiner Vorstellung noch erreichen. → Erst dann stellt sich die Abgrenzung in „beendet“ oder „unbeendet“.

Beispiele für fehlgeschlagenen Versuch:

  • A schießt auf B, verfehlt ihn, hat keine Munition mehr und sieht keine Möglichkeit, B noch zu verletzen. → Versuch fehlgeschlagen.
  • A sticht auf B ein, B flieht in ein Auto und entkommt. A hat keine Chance mehr, die Tat zu vollenden. → Versuch fehlgeschlagen.

Beispiele für nicht fehlgeschlagenen Versuch:

  • A sticht auf B ein, B ist verletzt, aber A glaubt, mit einem weiteren Stich noch den Tod herbeiführen zu können. → Versuch nicht fehlgeschlagen, sondern unbeendet.
  • A legt Gift in Bs Getränk, glaubt, dass er später noch nachdosieren könnte, falls die Wirkung nicht stark genug ist. → Versuch nicht fehlgeschlagen.

Klausurrelevanz:

  • Fehlgeschlagen = Rücktritt sofort ausgeschlossen.
  • Nicht fehlgeschlagen = dann weiter mit der Frage: unbeendet oder beendet.

Davon hängt ab, welche Rücktrittshandlungen erforderlich sind:

Unbeendeter Versuch: Rücktritt schon durch bloßes Nicht-Weiterhandeln möglich.
Beendeter Versuch: Täter muss aktiv werden und den Erfolg verhindern (z. B. Arzt rufen, Opfer retten).


Klausurtipp

Die richtige Prüfungsreihenfolge beim Rücktritt:

1.  Fehlgeschlagen? ►Wenn ja: Rücktritt ausgeschlossen.

2.  Nicht fehlgeschlagen? ►Dann weiter differenzieren: unbeendet oder beendet.

3.  Folge: Je nach Einordnung sind unterschiedliche Rücktrittshandlungen erforderlich.

Wie Sie dies in der Klausur konkret prüfen, zeigt der folgende Musteraufbau.

 

7. Musteraufbau für die Klausur

Damit Sie die Abgrenzung von beendetem und unbeendetem Versuch im Gesamtzusammenhang sehen, hier ein kurzer Überblick über den typischen Aufbau in einer Strafbarkeitsprüfung:

I.  Strafbarkeit des A nach §§ … StGB

  1. Tatbestand

a)    Objektiver Tatbestand

b)   Subjektiver Tatbestand

  1. Rechtswidrigkeit
  2. Schuld

II.  Versuch nach §§ 22, 23 StGB

  • Abgrenzung zur Vorbereitungshandlung
  • Tatentschluss
  • Unmittelbares Ansetzen

III.  Rücktritt nach § 24 StGB

Obersatz/ Einleitungssatz
„Fraglich ist, ob A nach § 24 Abs. 1 StGB vom Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist.“

Prüfungsschritte:

  1. Nicht fehlgeschlagener Versuch
    – Zunächst ist zu klären, ob der Versuch fehlgeschlagen ist.
    – Nur wenn der Täter nach seiner Vorstellung den Erfolg noch erreichen konnte, kommt ein Rücktritt überhaupt in Betracht.
  2. Abgrenzung: unbeendeter oder beendeter Versuch
    – Maßgeblich ist die Vorstellung des Täters nach seiner letzten Ausführungshandlung.
    – Bei unbeendetem Versuch reicht es, dass der Täter nicht weiterhandelt.
    – Bei beendetem Versuch muss er aktiv werden und den Erfolg verhindern.
  3. Subsumtion im konkreten Fall
    – Darstellung der Tätervorstellung anhand des Sachverhalts.
    – Eindeutige Fälle: direkte Zuordnung zu unbeendet oder beendet.
    – Uneindeutige Fälle: Ansichten darstellen und Streitentscheid (s.o. bei Punkt 5).


Fazit

Die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch sowie die vorgelagerte Klärung, ob der Versuch fehlgeschlagen oder nicht fehlgeschlagen ist, gehören zu den Schlüsselstellen jeder Versuchsklausur. Wer die Definitionen sicher beherrscht, anhand von Beispielen differenzieren kann und weiß, wann Streitstände darzustellen sind, wird in der Prüfung souverän argumentieren.


Ausblick:

Im nächsten Beitrag unserer Reihe beschäftigen wir uns mit dem Rücktritt nach § 24 StGB – inklusive aller fünf Varianten und typischer Klausurkonstellationen.

 

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