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Tag der Deutschen Einheit - Wiedervereinigung aus verfassungsrechtlicher Sicht

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Einleitung

Am 3. Oktober begeht Deutschland den Tag der Deutschen Einheit. Dieser Feiertag erinnert nicht nur an einen historischen Wendepunkt, sondern wirft auch spannende verfassungsrechtliche Fragen auf, die in Klausuren wie auch in mündlichen Prüfungen regelmäßig eine Rolle spielen. Denn die Wiedervereinigung von 1990 war nicht nur ein politisches, sondern auch ein tiefgreifendes verfassungsrechtliches Ereignis.

1. Der Weg der Wiedervereinigung

Die Wiedervereinigung war kein Ereignis, das „über Nacht“ geschah, sondern das Ergebnis eines vielschichtigen rechtlichen, politischen und völkerrechtlichen Prozesses. Ausgangspunkt war der friedliche Protest in der DDR 1989, der zum Zusammenbruch des SED-Regimes und schließlich zu freien Wahlen zur Volkskammer im März 1990 führte. Diese neue Volkskammer war erstmals demokratisch legitimiert und konnte daher überhaupt den historisch bedeutsamen Beschluss vom 23. August 1990 fassen, mit dem der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Art. 23 GG a. F. erklärt wurde.

Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 legte die konkrete Ausgestaltung fest: Eingliederung der fünf neuen Länder, Anpassung der Rechtsordnung, Überleitung von Verwaltungs- und Justizstrukturen. In Art. 1 des Einigungsvertrags wurde bestimmt, dass das Grundgesetz in den neuen Ländern in Kraft tritt. Damit war die deutsche Einheit innerstaatlich verfassungsrechtlich vollzogen.

Völkerrechtlich gesichert wurde das Ganze durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag (BRD und DDR plus die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs). Dieser Vertrag regelte endgültig die Grenzen, die außenpolitische Souveränität und die militärischen Fragen des vereinten Deutschlands. Ohne diesen Schritt hätte die innere Wiedervereinigung keine dauerhafte Stabilität gehabt.

Für das Examen ist wichtig: Deutschland ist nicht „neu gegründet“ worden, sondern die Bundesrepublik hat fortbestanden – nur erweitert um die neuen Länder. Das Stichwort lautet Staatskontinuität. Das ist auch der Grund, warum Deutschland weiterhin Völkerrechtssubjekt mit allen Rechten und Pflichten blieb, insbesondere Mitgliedschaften in internationalen Organisationen und Vertragsbindungen.

2. Warum nicht Art. 146 GG?

Diese Frage ist einer der Klassiker in Klausuren und mündlichen Prüfungen – und sie bietet viel Diskussionsstoff.

a) Wortlaut und Intention der Normen

  • Art. 23 a. F.: Sah ausdrücklich den Beitritt „anderer Teile Deutschlands“ vor. Damit war der Weg eröffnet, die DDR zu integrieren.
  • Art. 146 GG: Verfassunggebende Alternative. Das Grundgesetz sollte „seine Gültigkeit an dem Tage verlieren, an dem eine vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Kraft tritt.“

b) Argumente für Art. 146 GG
Ein Teil der Literatur forderte 1990, die historische Chance für einen „Neustart“ zu nutzen. Argumente:

  • Starker demokratischer Legitimationsakt durch eine Volksabstimmung.
  • Möglichkeit, strittige Punkte neu zu gestalten (z. B. Verhältnis Bundesstaat/Zentralstaat, Stellung der Grundrechte, Staatsziele wie Umweltschutz oder Gleichberechtigung).
  • Symbolkraft: Ein vereintes Deutschland verdient eine neue, vom gesamten Volk verabschiedete Verfassung.

c) Argumente für Art. 23 a. F.
Die Politik entschied sich für Art. 23 GG a. F. – und das hatte gute Gründe:

  • Pragmatismus: Die Bevölkerung der DDR wollte schnelle Einheit, nicht jahrelange Verfassungsdiskussionen.
  • Stabilität: Das Grundgesetz hatte sich seit 1949 bewährt und wurde international anerkannt.
  • Rechtskontinuität: Ein Neubeginn über Art. 146 hätte Rechtsunsicherheiten mit sich gebracht (z. B. Frage nach der Weitergeltung bestehender Verträge).
  • Tempo: Historisch war es eine „Fenstersituation“. Niemand wusste, wie lange die politische Chance für die Einheit bestand.

d) Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts
Das BVerfG hat die Entscheidung für Art. 23 GG a. F. für verfassungsgemäß erklärt. Es betonte, das Grundgesetz sei von Anfang an als „gesamtdeutsche Verfassung“ konzipiert gewesen. Art. 146 GG eröffnete lediglich die Möglichkeit einer neuen Verfassung, er verpflichtete aber nicht dazu.

e) Examensrelevanz
In einer Klausur könnte man die Frage wie folgt aufbauen:

  • Prüfung der einschlägigen Normen (Art. 23 a. F. und Art. 146 GG).
  • Darstellung der Streitfrage: zwingender Volksverfassungsakt oder zulässiger Beitritt.
  • Argumente beider Seiten.
  • Ergebnis: Beitritt nach Art. 23 GG a. F. war zulässig, Art. 146 blieb bestehen.

3. Auswirkungen auf das Grundgesetz

Die Wiedervereinigung hatte unmittelbare Folgen für das Grundgesetz. Zunächst trat es in den neuen Ländern in Kraft, sodass die Grundrechte von einem Tag auf den anderen volle Wirkung für rund 16 Millionen Bürgerinnen und Bürger erhielten. Damit wurden nicht nur politische Freiheiten wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit verwirklicht, sondern auch die Justiz- und Verwaltungsorganisation nach den Maßstäben des Rechtsstaatsprinzips aufgebaut.

a) Föderale Neuordnung

Mit dem Beitritt der fünf neuen Länder (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) änderte sich die föderale Struktur spürbar:

  • Im Bundesrat wuchs die Stimmenzahl; die Mehrheitsbildung wurde komplexer.
  • Im Bundestag führte die größere Bevölkerung zu einer höheren Mandatszahl.
  • Auch die Finanzverfassung war betroffen: neue Länder erhielten Ausgleichszahlungen, der Finanzausgleich musste angepasst werden.

b) Präambeländerung und Verfassungsidentität

Ein besonders wichtiger Punkt war die Änderung der Präambel des Grundgesetzes. Vor 1990 sprach sie vom „gesamten deutschen Volk in den Ländern Baden, Bayern, …, Berlin“. Nach der Wiedervereinigung wurde die Präambel angepasst, um die erfüllte Einheit zu dokumentieren. Damit entfiel auch der ausdrückliche Auftrag, „die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden“ – denn dieser Auftrag war erfüllt.

Für Examenskandidaten wichtig: Die Präambel hat zwar keine unmittelbare Normqualität, ist aber von verfassungsrechtlicher Ausstrahlungswirkung. Ihre Änderung war deshalb mehr als eine bloße Formalität – sie markierte den Übergang von der „Bundesrepublik im geteilten Deutschland“ zur Bundesrepublik als vereintem Deutschland.

c) Neuer Art. 23 GG (Europa)

Da der alte Art. 23 GG für die Wiedervereinigung genutzt worden war, schuf man 1992 einen neuen Art. 23 GG, der nun die europäische Integration regelt. Diese systematische „Umwidmung“ ist bis heute examensrelevant: Studierende müssen unterscheiden können zwischen dem Art. 23 a. F. (Wiedervereinigung) und dem heutigen Art. 23 (Europaartikel).

4. Examensrelevanz

Die Wiedervereinigung ist kein bloßes Randthema. Sie bündelt gleich mehrere Klassiker des Staatsorganisationsrechts:

  • Art. 23 a. F. vs. Art. 146 GG: Muss eine Wiedervereinigung durch eine neue Verfassung erfolgen oder reicht der Beitritt?
  • Staatskontinuität: Ist die Bundesrepublik identisch geblieben oder wurde ein neuer Staat gegründet?
  • Art. 79 III GG (Ewigkeitsklausel): Konnten die tragenden Strukturprinzipien durch den Einigungsvertrag oder eine neue Verfassung in Frage gestellt werden?
  • Föderalismus: Welche Bedeutung hat die Aufnahme neuer Länder für das Gleichgewicht im Bundesstaat?
  • Präambel: Welche normative Kraft entfaltet sie, und welche Rolle spielt sie im Lichte der Einheit?

In Klausuren könnte ein Sachverhalt so gestaltet sein, dass eine „hypothetische Wiedervereinigung“ geprüft wird oder eine Abwandlung, etwa: „Stellen Sie sich vor, 1990 wäre man den Weg über Art. 146 GG gegangen – wie wäre die Rechtslage?“ Solche Gedankenspiele fordern von Kandidaten nicht bloß Reproduktion, sondern dogmatische Reflexion. 

5. Typische Fragen in der mündlichen Prüfung

Erfahrungsgemäß greifen Prüfer den 3. Oktober in mündlichen Prüfungen gern auf. Er ist anschlussfähig, tagespolitisch und zugleich examensrelevant. Typische Fragen lauten etwa:

  • „Warum entschied man sich 1990 für Art. 23 GG a. F. und nicht für Art. 146 GG?“
  • „Welche Rolle spielte der Zwei-plus-Vier-Vertrag für die äußere Souveränität?“
  • „Welche Bedeutung hat die Präambeländerung 1990?“
  • „Welche Konsequenzen ergaben sich für den Bundesrat?“
  • „Was versteht man unter der Staatskontinuitätsthese?“
  • „Könnte heute noch eine Verfassung nach Art. 146 GG verabschiedet werden?“

Gerade die letzte Frage wird gerne gestellt: Denn Art. 146 GG gilt auch nach 1990 unverändert fort. Das Grundgesetz versteht sich also weiterhin als „offen für einen verfassungsgebenden Akt des gesamten Volkes“, wenngleich die politische Realität dies derzeit nicht nahelegt. Kandidaten, die dies wissen, zeigen nicht nur Kenntnisse, sondern auch Gespür für die politische Dimension. 

6. Prüfungsschema: Art. 23 a. F. vs. Art. 146 GG

a)    Normen
Ausgangspunkt ist zunächst der Vergleich der beiden einschlägigen Normen. Der alte Art. 23 GG a. F. eröffnete die Möglichkeit, dass „andere Teile Deutschlands“ dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten konnten. Es handelte sich also um einen klar formulierten Integrationsmechanismus, der den Weg für die Wiedervereinigung rechtlich vorzeichnete.
Demgegenüber regelt Art. 146 GG, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tag verliert, an dem das deutsche Volk in freier Entscheidung eine neue Verfassung beschließt. Diese Vorschrift enthält damit die Option eines verfassungsgebenden Neubeginns, der durch eine Volksabstimmung legitimiert werden müsste.

b)    Streitstand
Umstritten war 1990 die Frage, welcher Weg für die deutsche Einheit zwingend zu beschreiten war.

  • Befürworter von Art. 146 GG betonten, dass eine Wiedervereinigung von historischer Tragweite nur durch eine neue, vom gesamten deutschen Volk beschlossene Verfassung angemessen legitimiert werden könne. Dieser Weg hätte die Chance geboten, Grundsatzfragen – etwa die Stellung der Grundrechte, die Einbindung neuer Staatsziele oder die Balance zwischen Bund und Ländern – neu zu gestalten. Auch die Symbolwirkung eines demokratisch beschlossenen Neubeginns wäre besonders stark gewesen.
  • Befürworter von Art. 23 GG a. F. hoben hingegen hervor, dass dieser Weg schneller und rechtssicher sei. Die Bevölkerung der DDR habe vor allem eine zügige Einheit gewünscht; eine langwierige Verfassungsdiskussion hätte die Dynamik gefährden können. Zudem habe sich das Grundgesetz seit 1949 bewährt, sodass es nahegelegen habe, es auf das gesamte Deutschland zu erstrecken. Auch völkerrechtliche Aspekte, insbesondere die Stabilität bestehender Verträge, sprachen für den Beitritt nach Art. 23 GG a. F.

c)    Rechtsprechung
Das Bundesverfassungsgericht hat in späteren Entscheidungen ausdrücklich festgestellt, dass der Weg über Art. 23 GG a. F. verfassungsgemäß war. Es betonte, dass das Grundgesetz von Anfang an als gesamtdeutsche Verfassung gedacht gewesen sei. Art. 146 GG eröffnete lediglich die Möglichkeit eines verfassungsgebenden Neubeginns, verpflichtete aber nicht zwingend zu diesem Schritt. Damit war die Entscheidung, den Beitritt über Art. 23 GG a. F. zu vollziehen, rechtlich tragfähig.

d)    Rechtsfolgen
Die Wahl des Beitrittsweges hatte mehrere rechtliche Konsequenzen:

  • Die Bundesrepublik Deutschland blieb als Staat identisch bestehen; es wurde kein neuer Staat gegründet, sondern lediglich die Zahl ihrer Länder erweitert.
  • Das Grundgesetz blieb in seiner bisherigen Form bestehen und wurde lediglich auf die neuen Bundesländer erstreckt.
  • Ab dem 3. Oktober 1990 galten die Grundrechte für alle Bürgerinnen und Bürger im gesamten Bundesgebiet, einschließlich der neuen Länder.
  • Die föderale Struktur wurde erweitert: Der Bundesrat erhielt zusätzliche Stimmen, die bundesstaatliche Balance veränderte sich, und der Finanzausgleich musste neu geordnet werden.

 

Fazit

Der Tag der Deutschen Einheit ist nicht nur ein historischer Feiertag, sondern ein juristisches Lehrstück. Er zeigt, wie flexibel das Grundgesetz war, um einen politischen Ausnahmezustand rechtsstaatlich aufzufangen. Für Examenskandidaten ist er ein Dauerbrenner, weil er die großen Themen des Staatsorganisationsrechts – Verfassung, Demokratie, Kontinuität, Föderalismus, Grundrechte – in einem Fall bündelt.

Gerade im mündlichen Examen ist es ein ideales Gesprächsthema: Wer hier sicher zwischen Art. 23 a. F. und Art. 146 GG differenziert, die Argumente kennt und ihre Tragweite einordnet, sammelt schnell Punkte.

 

Gerade der Tag der Deutschen Einheit zeigt, wie eng Geschichte und Verfassungsrecht miteinander verwoben sind – und warum solche Themen im Examen so beliebt sind. Wenn Sie sich optimal auf diese und viele weitere Prüfungsfragen vorbereiten möchten, begleiten wir Sie mit unserer langjährigen Erfahrung auf Ihrem individuellen Weg.

 

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