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Start unserer neuen Serie: Die wichtigsten Klausurklassiker für die Zwischenprüfung – Teil 1: Strafrecht

Im Februar/März stehen an vielen Universitäten bereits die ersten Zulassungsklausuren und Zwischenprüfungen im Strafrecht an. In dieser intensiven Phase stellt sich für viele Studierende dieselbe Frage: Welche Themen und Klassiker kommen in den Klausuren immer wieder vor – und worauf sollte ich mich wirklich konzentrieren?

Mit diesem Beitrag starten wir bei My-Jura-Help eine kleine Serie zu genau dieser Frage: Zunächst im Strafrecht, in den kommenden Wochen folgen Beiträge zum Zivilrecht und zum Öffentlichen Recht. Unser Ziel ist es, Ihnen einen strukturierten Überblick über besonders klausurrelevante Konstellationen zu geben, die sich in der Praxis der Zwischenprüfungen und Zulassungsklausuren immer wieder – in den unterschiedlichsten Varianten – finden.

Die nachfolgende Liste beruht auf jahrelanger Unterrichts- und Korrekturerfahrung mit Studierenden verschiedener Universitäten sowie auf der Auswertung typischer Prüfungsaufgaben. Immer wieder zeigt sich dabei, dass bestimmte BGH-Entscheidungen und „Lehrbuchklassiker“ den roten Faden für Klausuren bilden: Nicht der Fall 1:1, sondern die dahinterstehenden Probleme, Strukturen und Fragestellungen werden abgeprüft. 

Wichtig ist uns ein klarer Hinweis:
Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt weit mehr Konstellationen und Entscheidungen, die in einer Klausur eine Rolle spielen können, als wir in einem einzigen Beitrag abbilden können. Wir haben daher bewusst diejenigen Themen und Fälle ausgewählt, die nach unserer Erfahrung besonders häufig in Zulassungsklausuren und Zwischenprüfungen eine Rolle spielen – sei es als direkter Fall, als abgewandelte Konstellation oder als „verstecktes“ Problem im Sachverhalt.

Wenn Sie die nachfolgenden Klassiker durcharbeiten, ihre Kerngedanken verstehen und mit dem Gesetz verknüpfen, legen Sie ein sehr solides Fundament für die strafrechtlichen Klausuren der nächsten Monate. Dieses Fundament ersetzt jedoch nicht die eigene, kontinuierliche Klausurpraxis – es soll Ihnen vielmehr zeigen, wohin die Reise in der Prüfung typischerweise geht und welche „Dauerbrenner“ Sie kennen sollten.

 

1. Tötungsdelikte (§§ 212, 211, 22, 23 StGB)

Warum Klassiker?
Tötungsdelikte sind der „Königsstoff“ im Strafrecht AT/BT: Vorsatzformen, Versuch/Rücktritt, Irrtümer über den Kausalverlauf und Heimtücke bieten unglaublich viel Stoff für Schwerpunktbildung. In Zwischenprüfungs- und Zulassungsklausuren werden hier regelmäßig Grundstrukturen des AT mit einem examensreifen BT-Tatbestand verknüpft.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Abgrenzung dolus eventualis ↔ bewusste Fahrlässigkeit („Hemmschwellentheorie“).
  • Rücktritt: unbeendeter vs. beendeter Versuch, fehlgeschlagener Versuch, „Denkzettel“-Konstellationen.
  • Abweichender Kausalverlauf, „dolus generalis“ und Koinzidenzprinzip.
  • Heimtücke und „feindliche Willensrichtung“, v.a. bei Mitleidstötungen und „Sterbehilfe“-Konstellationen.

BGH- und Lehrbuchklassiker zum Nachlesen

  • Hemmschwellentheorie / bedingter Tötungsvorsatz
    BGH, Urt. v. 22.03.2012 – 4 StR 558/11,
    BGHSt 57, 183 = NJW 2012, 1524 (riskantes Fahrmanöver, Tötungsvorsatz, Hemmschwelle). 
  • Bedingter Tötungsvorsatz (Billigungstheorie) – „Lederriemen-Fall“
    BGH, Urt. v. 02.07.1957 – 5 StR 206/57,
    BGHSt 7, 363 (Grundentscheidung zum dolus eventualis; immer noch Standard in Lehrbüchern). 
  • Rücktritt vom Versuch („Denkzettel-Fall“)
    BGH, Beschl. des Großen Senats v. 19.05.1993 – GSSt 1/93,
    BGHSt 39, 221 = NJW 1993, 2061 (Abgrenzung unbeendeter/beendeter Versuch, Rücktrittshorizont). 
  • Abweichender Kausalverlauf / „dolus generalis“ – Jauchegrubenfall
    BGH, Urt. v. 26.04.1960 – 5 StR 77/60,
    BGHSt 14, 193 = NJW 1960, 1261 (Opfer erst durch zweite Handlung getötet; Koinzidenzprinzip). 
  • Heimtücke und „feindliche Willensrichtung“ – Mord aus Mitleid
    BGH, Urt. v. 19.06.2019 – 5 StR 128/19,
    BGHSt 64, 111 = NJW 2019, 2413 (Heimtücke bei Mitleidstötung, Anforderungen an die feindliche Willensrichtung). 

 

2. Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB)

Warum Klassiker?
Körperverletzungsdelikte sind dankbar für praxisnahe Sachverhalte (Schule, Kneipe, Beziehung, Sport), in denen Definitionen, Rechtfertigungsgründe, Notwehrexzesse und Unterlassungskonstellationen geprüft werden. Sie eignen sich gut für Kandidat:innen am Anfang der Ausbildung.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Definition körperliche Misshandlung / Gesundheitsschädigung, Bagatellgrenze.
  • Abgrenzung einfacher ↔ gefährlicher Körperverletzung.
  • Notwehr / Notwehrexzess (z.B. Ohrfeige als „Gegenwehr“).
  • Unterlassen: Garantenstellung aus Ingerenz, aus enger Beziehung (Eltern, Geschwister), aus Übernahme.

BGH- und Lehrbuchklassiker

  • Ohrfeige als Körperverletzung
    BGH, Urt. (ältere Rspr., zusammengefasst etwa in BGHSt 23, 261) – anerkannt, dass eine schmerzhafte Ohrfeige regelmäßig eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine Körperverletzung i.S.d. § 223 StGB darstellt. 
  • Garantenstellung unter Geschwistern / Unterlassen
    BGH, Urt. v. 31.03.2021 – 2 StR 109/20,
    (Garantenstellung aus Übernahme von Verantwortung; Unterlassen, § 13 StGB, im Familienkontext). 
  • Garantenstellung aus Ingerenz als besonderes persönliches Merkmal
    BGH, Beschl. v. 24.03.2021 – 4 StR 416/20,
    (Garantenstellung aus Ingerenz als besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 28 Abs. 1 StGB; wichtig für Beteiligungsprobleme bei Unterlassungsdelikten). 

 

3. Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242, 246 StGB) – inkl. Gewahrsam & Pfandflaschen

Warum Klassiker?
Zwischenprüfungs-Klausuren im BT lieben Diebstahl: Gewahrsamsdefinition, Gewahrsamswechsel, Abgrenzung zu § 246 StGB und technisch geprägte Konstellationen (Selbstbedienungskassen etc.).

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Gewahrsam (Mitgewahrsam, gelockerter Gewahrsam, Laden-/Tankstellenfälle).
  • Abgrenzung Diebstahl ↔ Unterschlagung (Fund-/Pfandfälle).
  • Zueignungsabsicht, insbesondere bei Leergut/Pfandflaschen.

BGH- und Lehrbuchklassiker

  • Gewahrsam, gelockerter Gewahrsam und Gewahrsamsbruch („Fund“/Öffentlicher Raum)
    BGH, Beschl. v. 14.04.2020 – 5 StR 10/20,
    (Gewahrsam bei im öffentlichen Raum liegenden Gegenständen; Abgrenzung Diebstahl/Fundunterschlagung). 
  • Pfandflaschen / Zueignungsabsicht
    BGH, Beschl. v. 10.10.2018 – 4 StR 591/17,
    NJW 2019, 3598 (Zueignungsabsicht bei Entwendung von Pfandleergut; Unterscheidung Einheits–/Individualflaschen, Vorstellung des Täters über die Eigentumslage entscheidend). 

 

4. Vermögensdelikte / Betrug (§ 263 StGB) und Computer-/Kartenfälle

Warum Klassiker?
Betrug ist vielschichtig: Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung, Vermögensschaden, schadensgleiche Vermögensgefährdung und die Abgrenzung zu Computerbetrug sind Dauerbrenner. EC-Karten- und Rechnungsfallen eignen sich perfekt für klausurtypische Serienfälle.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Täuschungshandlung (konkludente Täuschung, Rechnungstricks, Internet-/Mail-Offerten).
  • Vermögensschaden und schadensgleiche Vermögensgefährdung.
  • Computerbetrug (§ 263a StGB) vs. „normaler“ Betrug bei EC-Karten-Nutzung.
  • Bandenbetrug und organisierte Modelle (z.B. „Schenkkreise“).

BGH-Klassiker

  • „Rechnungs-“ bzw. Insertionsofferten – Betrügerische Angebotsschreiben
    BGH, Urt. v. 26.04.2001 – 4 StR 439/00,
    BGHSt 47, 1 (Täuschung durch wie Rechnungen aussehende Offerten, konkludente Täuschung und schadensgleiche Vermögensgefährdung). 
  • EC-Karten-Missbrauch („EC-Karten-Fall III“) – Computerbetrug?
    BGH, Beschl. v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01,
    BGHSt 47, 160 = NJW 2002, 905 (Abhebung mit ec-Karte am Geldautomaten, Abgrenzung § 263a StGB, Garantiefunktion der Karte). 
  • Schadensgleiche Vermögensgefährdung
    BGHSt 47, 1 sowie ältere Klassiker (z.B. BGHSt 15, 83) werden in Lehrmaterialien als Leitentscheidungen für die Struktur des Vermögensschadens herangezogen. 
  • Schenkkreise / Schneeballsysteme
    BGH, Urt. v. 17.06.2004 – 3 StR 344/03,
    (Bandenmäßiger Betrug, Schneeballsysteme – häufig als Basis für Lehrbuchfälle zu § 263 StGB). 

 

5. Unterlassungsdelikte & Garantenstellung (§ 13 StGB)

Warum Klassiker?
Unechte Unterlassungsdelikte liefern klassische Zwischenprüfungs­konstellationen: Eltern-/Partnerfälle, Ärzt:innen, Aufsichtspflichten, selbst geschaffene Gefahren. Hier lässt sich AT-Dogmatik (Kausalität beim Unterlassen, objektive Zurechnung, Garantenstellung) gut prüfen.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Arten der Garantenstellung: Gesetz, Vertrag, enge Lebensgemeinschaft, Ingerenz, Übernahme.
  • Kausalität beim Unterlassen („Quasi-Kausalität“) und objektive Zurechnung.
  • Verhältnis von Täterschaft durch Unterlassen und Teilnahme.

BGH-Klassiker

  • Garantenstellung aus enger persönlicher Beziehung / Geschwisterfall
    BGH, Urt. v. 31.03.2021 – 2 StR 109/20,
    (Garantenpflicht aus Übernahme von Verantwortung unter Geschwistern; wichtig für Konstellationen „Familie schaut zu“). 
  • Garantenstellung aus Ingerenz als besonderes persönliches Merkmal
    BGH, Beschl. v. 24.03.2021 – 4 StR 416/20
    (qualifiziert Garantenstellung aus Ingerenz als besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 1 StGB – relevant bei Teilnahme im Unterlassungskontext). 
  • Jüngere Aufsätze und Lehrmaterialien (z.B. Greco zu Kausalität/Zurechnung bei Unterlassen – ZIS 2011, 603 ff.) sind klassische Sekundärquellen, aus denen viele Lehrbuchfälle gespeist werden. 

 

6. Täterschaft und Teilnahme (§§ 25–27 StGB)

Warum Klassiker?
Gerade im AT der Zwischenprüfung werden Mittäterschaft, Beihilfe, Tatherrschaftslehre und Probleme wie error in persona des Mittäters oder „Schlägertrupp“-Konstellationen geprüft.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Abgrenzung Täterschaft ↔ Teilnahme (Tatherrschaft, Animus auctoris/socii).
  • Gemeinsamer Tatplan, sukzessive Mittäterschaft.
  • Error in persona und seine Wirkungen für Mittäter/Anstifter.
  • Beteiligung durch Unterlassen (Spezialfall zu § 13 StGB).

BGH- und klassische Fundstellen

  • Maßstab der Mittäterschaft (Tatherrschaft)
    Ständige Rechtsprechung, z.B. BGH, Beschl. v. 11.07.2017 – 2 StR 220/17 (klarer Hinweis auf wesentlichen Tatbeitrag und Tatherrschaft als Abgrenzungskriterium). 
  • Bewusste Selbstgefährdung des Opfers / Abgrenzung Fremdgefährdung
    BGH, Urt. v. 08.09.1993 – 3 StR 341/93,
    (Einschränkung des Grundsatzes „bewusste Selbstgefährdung straflos“; relevant für Zurechnungs- und Beteiligungsprobleme). 
  • Error in persona beim Mittäter
    Aktuelle Diskussion z.B. in HRRS-Aufsätzen (Rückert, HRRS 2019, bespricht eine BGH-Entscheidung zu error in persona beim Mittäter, lehrbuchklassisch aufgegriffen). 

 

7. Irrtumslehre (Vorsatz- und Verbotsirrtümer, Erlaubnistatbestandsirrtum)

Warum Klassiker?
Irrtümer sind Pflichtprogramm in jeder AT-Klausur. In Zwischenprüfungen werden häufig „harmlos“ anmutende Sachverhalte mit dogmatisch gemeinen Irrtumskonstellationen kombiniert.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) vs. Vorsatz-„Feinschliff“ (Irrtum über Kausalverlauf, Vorsatzumfang).
  • Erlaubnistatbestandsirrtum / Putativnotwehr.
  • Verbotsirrtum (§ 17 StGB) und Vermeidbarkeit.

BGH- und Literaturklassiker

  • Putativnotwehr und Erlaubnistatbestandsirrtum – „Hells Angels“
    BGH, Urt. v. 02.11.2011 – 2 StR 375/11,
    NJW 2012, 1008 (verdeckter Polizeieinsatz, sich bedroht fühlendes Hells-Angels-Mitglied; Musterfall für Putativnotwehr/ETBI). 
  • Aktuelle Notwehr- und Notwehrexzess-Rechtsprechung
    Z.B. BGH-Entscheidung zu Notwehr gegen Erpresser, 3 StR 447/20, besprochen in ZJS 2022, 1682 ff.; hier werden Grundlagen der Notwehrdogmatik und ETBI klausurreif aufbereitet. 
  • Verbotsirrtum & Unrechtsbewusstsein
    Aufsatzliteratur (z.B. Els, ZIS 2021, 1 ff.; Puppe/Rudolphi-Schule) prägt die Systematik, die dann in Lehrbuchfällen umgesetzt wird. 

 

8. Kausalität, objektive Zurechnung & Fahrlässigkeit

Warum Klassiker?
Hier testen Prüfer:innen „Dogmatikgefühl“: Hypothetische Kausalität, atypische Kausalverläufe, eigenverantwortliche Selbstgefährdung und Schutzzweckzusammenhang werden gern mit Alltagskonstellationen (Straßenverkehr, Medizin, Rettungsdienste) verknüpft.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Atypischer Kausalverlauf, Koinzidenz, dolus generalis (oft über den Jauchegrubenfall).
  • Eigenverantwortliche Selbstgefährdung und Fremdgefährdung.
  • Schutzzweckzusammenhang und objektive Zurechnung.
  • Fahrlässigkeitsdelikte mit komplexen Kausalverläufen (Verkehr, Medizin, Unterlassen).

BGH- und Literaturklassiker

  • Jauchegrubenfall (s.o. unter Tötungsdelikte) zur Kausalität und dolus generalis. 
  • Bewusste Selbstgefährdung
    BGH, Urt. v. 08.09.1993 – 3 StR 341/93 (Abgrenzung bewusste Selbstgefährdung vs. zurechenbare Fremdgefährdung). 
  • Fahrlässigkeit, hypothetische Kausalität, Unterlassen
    Greco, „Kausalitäts- und Zurechnungsfragen bei unechten Unterlassungsdelikten“, ZIS 2011, 603 ff. – kein BGH-Urteil, aber Standard in Lehrbüchern und damit häufige Quelle für Klausurfallvarianten. 

 

9. Notwehr, Notwehrexzess & „Bagatellfälle“

Warum Klassiker?
Notwehrsachverhalte sind ideal, um das Zusammenspiel von Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld zu prüfen. In der Zwischenprüfung tauchen häufig „kleine“ Fälle auf (Schubser, Ohrfeige, Kinderangriffe), in denen man die Grenzen der Gebotenheit und den Notwehrexzess diskutieren muss.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Voraussetzungen der Notwehrlage und des Notwehrrechts.
  • Gebotenheit bei Bagatellangriffen, Schuldlosen, engsten Angehörigen.
  • Notwehrexzess (§ 33 StGB) vs. Erlaubnistatbestandsirrtum.

BGH- und Lehrbuchklassiker

  • Notwehr/Putativnotwehr „Hells Angels“ (s.o. unter Irrtümer) – BGH, 2 StR 375/11. 
  • Notwehr gegen schuldlos Handelnde / Gebotenheit
    St. Rspr., zusammengefasst u.a. in BGHSt 3, 217 (von der Literatur als Leitentscheidung zitiert; Lehrmaterialien greifen das ständig auf). 
  • Bagatellangriffe / Ohrfeige
    Lehrfallliteratur betont, dass eine Ohrfeige zwar regelmäßig Körperverletzung ist (s.o.), aber nicht jede Gegenwehr unter Notwehrgesichtspunkten geboten ist – ein typisches Thema in Anfänger- und Zwischenprüfungsklausuren. 

 

10. Moderne Klausurthemen: EC/Debit-Karten, Online-Banking & digitale Delikte

Warum Klassiker (trotz „modern“)?
Auch in der Zwischenprüfung greifen viele Fakultäten gerne auf aktualisierte Klassiker zurück: Der dogmatische Kern ist alt (Betrug, Computerbetrug, Zueignungsabsicht), nur das technische Umfeld ist neu – perfekt, um AT-Strukturen an der aktuellen Rechtsprechung zu üben.

Typische klausurrelevante Fragestellungen

  • Computerbetrug (§ 263a StGB) vs. „normaler“ Betrug (§ 263 StGB) bei Karten- und Online-Banking-Fällen.
  • Verfügungs- vs. Eingriffsdelikte, Stellung der Bank, Garantiefunktion der Karte.
  • Beihilfe/Täterschaft bei arbeitsteiligen Cyber-Konstellationen.

BGH-Klassiker

  • EC-Karten-Fall III – BGHSt 47, 160 (s.o. unter Vermögensdelikte). 
  • Neuere Online-Banking/Phishing-Rechtsprechung (z.T. obergerichtlich, z.T. BGH) knüpft regelmäßig an diese Grundsätze an; viele aktuelle Lehrbücher und Repetitorien arbeiten mit entsprechend angepassten Fällen. 

 

Wenn Sie die oben aufgeführten Klassiker und die dazugehörigen Entscheidungen nacharbeiten, gewinnen Sie einen guten Eindruck davon, was Strafrechtsklausuren im Kern abprüfen wollen: dogmatisch sauberes Arbeiten, ein Gespür für Schwerpunkte und das sichere Bewegen im Zusammenspiel von Allgemeinem und Besonderem Teil.

Genauso wichtig wie das inhaltliche Wissen ist jedoch das Handwerkszeug des Klausurschreibens:

  • die Fähigkeit, einen Sachverhalt systematisch zu lesen und die eigentlichen Probleme zu erkennen,
  • die Schwerpunktsetzung im Gutachten – also zu entscheiden, was ausführlich und was kurz zu prüfen ist,
  • und der Gutachtenstil, der die Gedanken klar, strukturiert und prüfungsgerecht auf den Punkt bringt.

Nur die Entscheidungen zu kennen, wird in der Regel nicht ausreichen, um eine Klausur sicher zu bestehen. Entscheidend ist, dass Sie lernen, die in diesen Klassikern angelegten Probleme im konkreten Sachverhalt wiederzuerkennen, sie richtig einzuordnen und dann sauber im Gutachtenstil zu bearbeiten. Die Originalfälle werden in der Prüfung nicht einfach „nacherzählt“ – aber ihre Problemkerne kehren immer wieder in abgewandelten Sachverhalten zurück.

Genau hier setzen wir bei My-Jura-Help an:
Im Live-Nachhilfeunterricht erarbeiten wir mit Ihnen gemeinsam nicht nur die wesentlichen strafrechtlichen Klassiker, sondern vor allem das praktische Handwerkszeug, das Sie für eine bestandene Klausur brauchen – vom sicheren Umgang mit dem Gutachtenstil bis hin zur Schwerpunktsetzung und zur Arbeit an realistischen Klausurfällen. Auf Wunsch ist in unseren Live-Terminen regelmäßig auch ein integriertes Klausurtraining enthalten.

Wer den Fokus noch stärker auf das Schreiben und Besprechen von Klausuren legen möchte, kann zusätzlich oder alternativ unsere Klausurkurse buchen – von Basic bis hin zu intensiveren Varianten. Dort üben Sie genau das, was in der Prüfung zählt: Klassiker erkennen, Probleme herausarbeiten, Schwerpunkte richtig setzen und eine vollständige, überzeugende Lösung zu Papier bringen.

Alle Informationen zu unseren Angeboten, Kursformen und Paketen finden Sie wie gewohnt gesammelt auf unserer Website. Wenn Sie strafrechtlich gut vorbereitet in die Zwischenprüfungen starten möchten – mit soliden Kenntnissen der Klassiker und einem sicheren Klausurhandwerkszeug – unterstützen wir Sie dabei sehr gerne.

 

Ihr My-Jura-Help Team

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Konkurrenzen im Strafrecht – endlich verständlich. Ein umfassender Leitfaden für Studium und Examen

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Konkurrenzen gehören zu den Bereichen des Strafrechts, die in der juristischen Ausbildung regelmäßig Schwierigkeiten bereiten. Das liegt nicht daran, dass sie besonders komplex wären, sondern vielmehr an der Vielzahl möglicher Konstellationen und an der Unsicherheit darüber, in welcher Reihenfolge geprüft werden muss und wie man typische Fallgestaltungen sauber voneinander abgrenzt.

Der vorliegende Beitrag soll Abhilfe schaffen. Er richtet sich an Studierende, Examenskandidatinnen und Examens- kandidaten sowie an alle, die im Strafrecht eine klare Struktur suchen, um Konkurrenzfragen sicher, präzise und überzeugend zu lösen. Ziel ist es, Ihnen ein tragfähiges Fundament zu vermitteln, das Sie in der Klausur jederzeit abrufen können – unabhängig davon, ob es sich um Strafrecht AT- oder BT-Fälle handelt.


1. Warum sind Konkurrenzen für das Examen so wichtig?

In nahezu jeder strafrechtlichen Examensklausur taucht früher oder später die Frage auf, wie viele Schuldsprüche am Ende stehen. Das liegt daran, dass die meisten Lebenssachverhalte nicht „sauber“ nur ein einziges Delikt beinhalten, sondern verschiedene Handlungen rechtlich zu bewerten sind und mehrere Straftatbestände gleichzeitig verwirklicht werden.

Diese Überschneidungen sind gewollt. Der Gesetzgeber stellt mit den §§ 52 ff. StGB Instrumente bereit, um

  • mehrere Handlungen systematisch einzuordnen,
  • Überbewertungen zu verhindern,
  • typische Begleittaten angemessen zu erfassen und
  • klare Schuldspruchformeln zu ermöglichen.

Die Kunst besteht darin, die Konkurrenzregeln richtig zu sortieren, anzuwenden und im Gutachten nur das zu schreiben, was wirklich relevant ist.

Dieses System lässt sich in einer großen Klammer zusammenfassen:

Konkurrenzen entscheiden darüber, ob jemand wegen einer oder mehrerer Taten verurteilt wird – und wie diese Taten zueinanderstehen.


2. Die Grundformen der Konkurrenzen

2.1 Tateinheit (§ 52 StGB)

Von Tateinheit spricht man, wenn eine Handlung mehrere Straftatbestände gleichzeitig erfüllt. Diese Konstellation ist klausurtypisch, besonders in Fällen mit Körperverletzung, Sachbeschädigung, Urkundendelikten oder Verkehrsdelikten.

Beispiel:
A schlägt B mit einer Bierflasche auf den Kopf.
Gleichzeitig erleidet B eine Platzwunde (Körperverletzung), und die Flasche geht kaputt (Sachbeschädigung).
Ergebnis: Tateinheit.

Wichtig für die Klausur:
Bei Tateinheit entsteht nur ein Schuldspruch, formuliert als
„A wird wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung verurteilt.“

2.2 Tatmehrheit (§ 53 StGB)

Tatmehrheit liegt vor, wenn mehrere selbstständige Handlungen vorliegen. Voraussetzung ist ein neuer Tatentschluss, ein deutlich abgrenzbarer Lebensvorgang oder eine zwischenzeitliche Zäsur.

Beispiel:
A stiehlt morgens ein Fahrrad.
Am Abend verletzt er C im Streit.

Ergebnis: Tatmehrheit.

Merkregel:
Mehrere, voneinander lösbare Handlungen = mehrere Taten.

2.3 Spezialität

Spezialität bedeutet, dass ein speziellerer Tatbestand einen allgemeineren verdrängt.

Beispiel:
Raub verdrängt Nötigung.
Spezialität ist der „Klassiker“ und muss in Klausuren stets im Blick behalten werden, um Doppelverurteilungen zu vermeiden.

2.4 Subsidiarität

Subsidiarität ist gesetzlich oder systematisch angeordnet. Ist ein Tatbestand ausdrücklich oder seiner Struktur nach „nur hilfsweise“ einschlägig, tritt er zurück.

Beispiel:
§ 239 StGB tritt hinter § 239a StGB zurück.

2.5 Konsumtion

Hier verschlingt das schwerere Delikt ein mit verwirklichtes Begleitdelikt. Es handelt sich um ein wertendes Zurücktreten.

Beispiel:
Urkundenfälschung, die lediglich Vorbereitung eines Betruges ist, wird regelmäßig konsumiert.
Typische Begleittaten werden nicht gesondert bestraft.

 

3. Vorgehensweise in der Klausur

Eine sichere Bearbeitung beginnt stets mit einer klar strukturierten Prüfungsfolge.

Schritt 1: Anzahl der Handlungen bestimmen

Liegt ein einheitlicher Lebensvorgang oder mehrere getrennte Handlungen vor?

Schritt 2: Verhältnis der verwirklichten Delikte zueinander prüfen

Spezialität geht vor Konsumtion.
Konsumtion geht vor Subsidiarität.

Schritt 3: Ergebnis sauber formulieren

Die Formulierung ist examenswichtig – fehlerhafte Schuldsprüche werden regelmäßig angestrichen.

 

4. Natürliche Handlungseinheit und rechtliche Handlungseinheit

Es gibt Fälle, in denen mehrere Einzelakte als eine Handlung gewertet werden.

4.1 Natürliche Handlungseinheit

Ein einheitlich motiviertes, unmittelbar zusammenhängendes Tatgeschehen.

Beispiel:
Mehrere Schläge innerhalb eines kurzen Zeitfensters.

4.2 Rechtliche Handlungseinheit

Sie wird kraft Rechtsprechung gebildet, etwa bei Dauerdelikten.

Beispiel:
Ein Fahrer fährt betrunken durch die Stadt; verschiedene Verkehrssituationen werden als einheitliche Tat bewertet.

 

5. Die wichtigsten Konkurrenzen mit Fallbeispielen

5.1 Körperverletzung und Sachbeschädigung

Eine klassische Anfänger- und Examenskonstellation:
Eine Handlung, zwei Delikte → Tateinheit.

5.2 Betrug und Urkundenfälschung

Urkundenfälschung ist häufig Begleitdelikt → Konsumtion.
Nur wenn die Fälschung einen eigenständigen Schutzzweck erfüllt, kann Tateinheit oder Tatmehrheit in Betracht kommen.

5.3 Raub und Nötigung

Spezialität: Raub verdrängt Nötigung.

5.4 Diebstahl und Hausfriedensbruch

Regelmäßig Konsumtion: Der Hausfriedensbruch ist typische Begleittat des Diebstahls.

5.5 Brandstiftung und fahrlässige Körperverletzung

Tateinheit, wenn durch dieselbe Handlung verursacht.

5.6 Straßenverkehrsdelikte

§ 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) und § 142 StGB (Unfallflucht) stehen häufig in Tateinheit, wenn der Unfall auf derselben Trunkenheitsfahrt beruht.

 

6. Häufige Fehler in Prüfungen

  1. Unklare Abgrenzung Handlung / mehrere Handlungen
    Zeitliche Nähe allein reicht nicht; Motivlage ist entscheidend.
  2. Vorschnelle Annahme von Konsumtion
    Nicht jede Begleittat wird konsumiert; der Schutzzweck der Norm muss beachtet werden.
  3. Falsche Reihenfolge der Prüfung
    Zuerst Spezialität, dann Konsumtion, dann Subsidiarität.
  4. Unsaubere Formulierungen im Schuldspruch
    Dies wird regelmäßig im Examen kritisiert.
  5. Zu viel Text
    Konkurrenzen müssen knapp, präzise und klar sein.

 

7. Zusammenfassung: Die große Struktur

Am Ende hilft eine einzige Klammer, das System zu merken:

  • Eine Handlung → Tateinheit
  • Mehrere Handlungen → Tatmehrheit
  • Spezieller verdrängt Allgemeinen
  • Haupttat verdrängt typische Begleittaten
  • Subsidiäre Normen treten zurück

Wenn man diese einfache Systematik konsequent anwendet, wird jede Konkurrenzfrage beherrschbar.

 

8. Abschließende Hinweise für Examenskandidaten

Gerade in Klausuren mit strafrechtlichem BT ist die Konkurrenzfrage oft der Punkt, der darüber entscheidet, ob eine Lösung vollständig wirkt. Viele Kandidatinnen und Kandidaten prüfen die Tatbestände hervorragend, verlieren aber bei den Konkurrenzen den Überblick.

Unser Rat lautet:

  • Trainieren Sie typische Fallkonstellationen,
  • üben Sie saubere Schuldspruchformeln,
  • und behalten Sie stets die Reihenfolge Spezialität → Konsumtion → Subsidiarität im Blick.

Mit Routine wird dieser Bereich zu einem der zuverlässigsten Teile der Klausurlösung – und nicht mehr zu einer Fehlerquelle.


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Klausuren richtig lösen: Der Gutachtenstil in Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichem Recht

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Juristische Klausuren prüfen nicht, was Sie wissen, sondern wie Sie denken. Der zuverlässige Leitfaden dafür ist der Gutachtenstil. Wer ihn beherrscht, schreibt nicht „irgendwie richtig“, sondern nachvollziehbar, prüfbar und punktesicher.

Dieser Beitrag führt Sie praxisnah und tief durch die Methode – mit Beispielen aus allen drei Rechtsgebieten und konkreten Formulierungsbausteinen für Ihre Klausur.

A. Der rote Faden:

I. Vier Schritte, die überall gelten 

1. Obersatz (mit Norm/Prüfungspunkt)
2. Definition/Voraussetzungen (ggf. Streitstände kurz einordnen)
3. Subsumtion (Tatsachen des SV unter die Definitionen „schieben“)
4. Ergebnis (Zwischen- oder Gesamtergebnis)

Die Technik ist schachtelbar: Jeder Unterpunkt läuft wieder in 1–4. So bleibt Ihre Klausur sauber gegliedert – vom Groben ins Feine.

Formulierungsanker

  • Obersatz: „Fraglich ist, ob …“, „Zu prüfen ist, ob …“
  • Definition: „Das ist der Fall, wenn …“, „Voraussetzung ist, dass …“
  • Subsumtion: „Laut Sachverhalt …“, „Angesichts dessen …“, „Daraus folgt …“
  • Ergebnis: „Demnach …“, „Somit …“, „Folglich …“

II. Der Obersatz – Ihr Start in jede Klausur

Der Obersatz ist der erste Schritt im Gutachtenstil und damit das Fundament Ihrer gesamten Prüfung.
Er beantwortet eine einzige Frage: Was soll rechtlich geprüft werden?
 

Er ist wie ein Satzgerüst aufgebaut, das immer nach demselben Prinzip funktioniert:

 

Schritt

Bedeutung

Beispiel

1. Wer

Wer will etwas? (Gläubiger / Anspruchsteller / Kläger)

A

2. will was

Welches Begehren? (Leistung, Herausgabe, Schadensersatz, Aufhebung etc.)

Zahlung von 600 €

3. von wem

Gegen wen richtet sich das Begehren? (Schuldner / Anspruchsgegner / Beklagter)

gegen B

4. woraus

Auf welcher Anspruchsgrundlage? (konkrete Norm)

aus § 433 II BGB

So entsteht der vollständige Obersatz:

A könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 600 € aus § 433 II BGB haben.

Musteraufbau (zum Nachahmen)

Wer
will was
von wem
woraus

[1] könnte [3] einen Anspruch auf [2] aus [4] haben.

Weitere Beispiele

  • Schadensersatz:
    T könnte gegen H einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 80 € aus § 280 I BGB haben.
  • Eigentumsherausgabe:
    E könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrrads aus § 985 BGB haben.
  • Strafrecht:
    T könnte sich wegen Diebstahls gem. § 242 I StGB strafbar gemacht haben.
    (→ Statt „Anspruch“, hier: „sich strafbar gemacht haben“)
  • Öffentliches Recht:
    B könnte gegen die Stadt einen Anspruch auf Aufhebung der Ordnungsverfügung gem. § 113 I 1 VwGO haben.
    (→ Hier steht die Klageart bzw. das Klageziel im Mittelpunkt.)

Typischer Fehler:
Viele Studierende beginnen mit:

„Im vorliegenden Fall liegt möglicherweise ein Kaufvertrag vor.“

Das ist kein Obersatz, sondern schon eine Vorwegnahme des Ergebnisses.
Ein Obersatz stellt eine Hypothese auf, keine Feststellung.

Richtig ist:

„A könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 II BGB haben.“

Merke:

Der Obersatz ist der Startpunkt und zeigt, dass Sie den Fall verstanden und strukturiert erfasst haben.
Von hier aus entfaltet sich alles Weitere: Definition, Subsumtion und Ergebnis.
Wer den Obersatz sicher bildet, denkt automatisch im Gutachtenstil.

WICHTIG:

Interpretieren Sie nichts in den Sachverhalt hinein, lassen Sie aber auch keine verwertbaren Angaben unberücksichtigt.
Führen Sie die Prüfung stets mit dem durch, was der Sachverhalt Ihnen tatsächlich bietet.

B. Zivilrecht: Der Anspruch – drei Kernmuster

I. Anspruch auf Kaufpreiszahlung (§ 433 II BGB) – Fahrrad


Sachverhalt:

B will sein Bike verkaufen. A ist an dem Bike interessiert. B bietet dem A sein City-Bike am 12.05. für 600 € zum Kauf an. A ist mit den 600 € einverstanden. Beide beschließen, dass der A heute das Fahrrad erhalten soll und morgen dem B die 600 € zahlt, da er gerade die 600 € nicht bei sich hat. A erscheint am nächsten Tag nicht mit dem Geld.

Hat der B einen Anspruch auf Zahlung der 600 €?

Obersatz:

A könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 II BGB haben.

Einleitung

Nach dem Sie den Obersatz geschrieben haben, sollten Sie den ersten Prüfungsabschritt bzw. die Voraussetzung des Anspruchs einleiten:

Dann müsste ein wirksamer Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB zwischen A und B zustanden gekommen sein.

Definition:

Nun das eingeleitete Merkmal definieren:

Ein wirksamer Kaufvertrag kommt durch Angebot und Annahme i.S.d. §§ 145 ff. BGB zustande.  

Subsumtion (verdichtet):

 

Nun muss subsumiert werden. Wenn der Sachverhalt, wie hier, so eindeutig ist, dann kann man die Subsumtion auch klar und knapp halten:

B bietet A am 12.05. das City-Bike für 600 € an. A nimmt am selben Tag vor Ort das Angebot fristgerecht an.

Einwendungen liegen nicht vor.

Zwischen-

ergebnis:

Der Kaufvertrag gem. § 433 BGB ist wirksam zwischen A und B zustande gekommen.

Ergebnis: B hat somit gegen den A einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus gem. § 433 II BGB.

Varianten-

hinweis:

Baue Prüfungsroutine auf:

(1) Vertragsschluss,

(2) Inhalte,

(3) Einwendungen

  •            Anfechtung, §§ 119 ff.;
  •       Rücktritt, §§ 323 ff.;
  •       Widerruf, §§ 312g, 355,

(4) Fälligkeit/Verzug.

 


II. Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (§§ 280 I, III, 283 BGB) – Fahrrad zerstört vor Lieferung

Sachverhalt:

A bestellt bei H ein neues Trekkingbike für 1.200 €. Bevor H das Fahrrad liefern kann, wird dessen Lager durch einen Brand vollständig zerstört. Das Fahrrad, das für A bestimmt war, verbrennt. H kann kein Ersatzfahrrad mehr beschaffen. A verlangt Schadensersatz.

Obersatz

A könnte gegen H einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Unmöglichkeit aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB haben.

Definition

Vorausgesetzt sind

  1. ein Schuldverhältnis,
  2. eine Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 BGB),
  3. ein Vertretenmüssen des Schuldners (§ 280 I 2 BGB) und
  4. ein Schaden.

Subsumtion (verdichtet):

.    (1) Schuldverhältnis: Zwischen A und H besteht ein wirksamer Kaufvertrag (§ 433 BGB) → (+).

(2) Unmöglichkeit: Die Lieferung des vereinbarten Fahrrads ist objektiv unmöglich geworden, da es im Lagerbrand zerstört wurde (§ 275 I BGB) → (+).

(3) Vertretenmüssen: Der Brand war zufällig, also weder von H noch von einer Hilfsperson schuldhaft verursacht → Vertretenmüssen (–).

(4) Schaden: A hat zwar einen Vermögensnachteil, weil er das Fahrrad nicht erhält, aber ein Schadensersatzanspruch setzt Vertretenmüssen voraus.

Zwischen-

ergebnis:

Das Vertretenmüssen fehlt, damit scheidet ein Anspruch aus §§ 280 I, III, 283 BGB aus.

Ergebnis: A hat gegen H keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 I, II, 283 BGB, da H den Untergang der Kaufsache nicht zu vertreten hat (§ 280 I 2 BGB).

Prüfungstipp:

Für Anfänger ist wichtig zu erkennen, dass Unmöglichkeit eine besondere Form der Pflichtverletzung ist.

  • Ist die Leistung gar nicht mehr möglich → §§ 280 I, III, 283 BGB.
  • Ist sie nur verspätet möglich → §§ 280 I, II, 286 BGB.
  • Ist sie mangelhaft oder verletzt Nebenpflichten → § 280 I BGB.
    Jede Leistungsstörung hat also ihren eigenen Anwendungsbereich.

 


III. Eigentumsherausgabe (§ 985 BGB) – Wer behält das Fahrrad?

Sachverhalt:

E leiht seinem Freund B sein Mountainbike für zwei Wochen. Nach Ablauf der vereinbarten Zeit fordert E das Fahrrad zurück. B meint, er könne es noch behalten, weil E ihm das Fahrrad angeblich geschenkt habe. E verlangt die Herausgabe.

Bearbeitervermerk: Vertragliche Ansprüche sind nicht zu prüfen.

Obersatz

E könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrrads aus § 985 BGB haben.

Definition

§ 985 BGB setzt voraus, dass der Anspruchsteller Eigentümer, der Anspruchsgegner Besitzer der Sache ist und kein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) besteht.

Subsumtion (verdichtet):

         E war ursprünglich Eigentümer des Mountainbikes. Durch die bloße Leihe (§§ 598 ff. BGB) wurde das Eigentum nicht auf B übertragen. B ist weiterhin lediglich unmittelbarer Besitzer des Fahrrads.

Ein Eigentumsübergang durch Schenkung (§ 516 BGB) setzt neben der Einigung über die unentgeltliche Zuwendung auch die Übergabe der Sache (§ 929 Satz 1 BGB) in Erfüllung dieses Schenkungsversprechens voraus. Das Fahrrad wurde jedoch bereits zuvor im Rahmen der Leihe übergeben; eine erneute Übergabe oder eine eindeutige Einigung über einen Eigentumsübergang liegen nicht vor.
Mangels wirksamer Schenkung ist E weiterhin Eigentümer. Ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) hatte B lediglich für die Dauer der vereinbarten Leihzeit. Nach Ablauf der zwei Wochen besteht dieses Besitzrecht nicht mehr fort.

Zwischenergebnis:

B ist Besitzer ohne Recht zum Besitz.

Ergebnis: E hat gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrrads aus § 985 BGB.

Klausur-

typisch:

           (1) § 986 (Besitzrecht) – aktiv ansprechen,

         (2)  § 935 (Besitzverlust des Eigentümers → kein gutgläubiger Erwerb),

           (3) §§ 932 ff. (gutgläubiger Erwerb durch Dritte).
Diese Punkte sind Standardquellen für Punktverluste in Anfängerklausuren.

 

 

C. Strafrecht: Tatbestand – Rechtswidrigkeit – Schuld – (ggf. Rücktritt/Strafen)

I. Diebstahl (§ 242 StGB) – Ladendiebstahl am Fahrrad-Zubehör

Wir wollen an diesem Beispielsfall ganz genau die einzelnen Prüfungsschritte im Detail zeigen:

 

Sachverhalt:

T betritt ein Fahrradgeschäft und nimmt dort ein neues Fahrradschloss aus dem Regal. Er löst die Verpackung, steckt das Schloss in seinen Rucksack und verlässt den Laden, ohne zu bezahlen. Als er bereits vor der Tür steht, wird er von einer Mitarbeiterin angesprochen und ins Geschäft zurückgebeten.

Obersatz

T könnte sich wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

Tatbestand (objektiv)

Prüfung des obj. Tatbestandes einleiten:

Dann müsste es sich bei dem Fahrradschloss um eine fremde bewegliche Sache i.S.d. § 242 I StGB handeln.

Jeweiligen Tatbestandsmerkmale des obj. Tatbestandes einzeln definieren und nach jeder Definition subsumieren:

Eine Sache ist für den Täter nach § 242 StGB fremd, wenn sie weder im Alleineigentum des Täters steht noch herrenlos ist. Das bedeutet, die Sache muss zumindest auch im Eigentum eines anderen stehen. Ob eine Sache „fremd“ ist, beurteilt sich nach bürgerlichem Recht. 

Sachverhalt + Subsumtion: nun genau die Stelle, die die Fremdheit beschreibt, sich aus dem Sachverhalt heraussuchen, und darunter subsumieren:

Das Fahrradschloss gehört dem Ladeninhaber.

T hat das Schloss in seinen Rucksack gesteckt, ohne es käuflich zu erwerben. Demnach steht das Schloss im Eigentum des Ladeninhabers und ist für T i.S.d. § 242 I StGB fremd.

Nun ist das nächste objektive Tatbestandsmerkmal an der Reihe, nämlich, dass die Sache beweglich sein muss.
Auch dieses Merkmal ist – wie bereits beim Merkmal „fremd“ dargestellt – nach denselben Prüfungsschritten zu prüfen.

Hinweis: So denklogisch und plausibel Ihnen dies auch erscheinen mag, müssen Sie dennoch jedes Tatbestandsmerkmal einzeln und in der dargestellten Reihenfolge prüfen.

Die Sache, und damit das Schloss, müsste i.S. d. § 242 I StGB beweglich sein.  Beweglich ist eine Sache, wenn Sie tatsächlich fortgeschafft werden kann. T steckte das Schloss in seinen Rucksack, so dass die Sache auch tatsächlich fortgeschafft werden kann. Das Tatobjekt Schloss ist demnach auch beweglich.

Und nächstes objektive Tatbestandsmerkmal vom Diebstahl ist dran; nämlich die „Wegnahme“. Achtung: Jeder Prüfungsabschnitt ist einzuleiten:

Weiterhin müsste T das Schloss i.S.d. § 242 I StGB weggenommen haben. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams.
T steckt das Schloss in den Rucksack und verlässt den Kassenbereich ohne Bezahlung.  Der Bruch des Gewahrsams des Ladeninhabers und Begründung neuen, eigenen Gewahrsams (Sphärentheorie) ist mit dieser Wegnahme erfüllt.

Und nun muss unbedingt ein Zwischenergebnis für diesen Prüfungsabschnitt (obj. Tatbestand) geschrieben werden:

T hat damit alle objektiver Tatbestandsmerkmale des Diebstahls i.S.d. § 242 I StGB erfüllt.

Tatbestand (subjektiv)

 

Nun prüfen wir den subj. Tatbestand. Jedoch genau in der gleichen Prüfungsabfolge wie oben. Also erst mit der Einleitung beginnen:

T müsste mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben.

Erste Voraussetzung ist, dass der Vorsatz des Täters sich auf alle Tatbestandsmerkmale des obj. Tatbestandes beziehen muss: 

Der Vorsatz bei § 242 StGB bedeutet, dass der Täter mit Wissen und Wollen handelt, eine fremde bewegliche Sache wegzunehmen, um sich oder einen Dritten rechtswidrig zuzueignen. Es reicht bedingter Vorsatz aus, bei dem der Täter die Tatverwirklichung zumindest für möglich hält und diese Billigend in Kauf nimmt. 

T wusste, dass es sich bei dem Schloss um eine für ihn fremde Sache handelt, die er auch wegnehmen wollte. 

Das nächste Merkmal im subj. Tatbestand des Diebstahls ist nun zu prüfen; nämlich die „Zueignungsabsicht“:

Die Zueignungsabsicht bei § 242 StGB erfordert, dass der Täter eine Absicht hat, sich die Sache zumindest vorübergehend anzueignen, und billigend in Kauf nimmt (Dolus eventualis), den Berechtigten dauerhaft zu enteignen.

T wollte das Schloss behalten (Aneignung) und den Ladeninhaber dauerhaft aus dessen Eigentum verdrängen (Enteignung). T handelte auch mit Zueignungsabsicht, so dass alle Merkmale des subjektiven Tatbestands ebenfalls erfüllt sind. 

Das Zwischenergebnis  und das Endergebnis für die Prüfung des Tatbestandes schreiben:

T hat ebenfalls alle Merkmale des subj. Tatbestandes des § 242 I StGB erfüllt. Der Tatbestand des Diebstahls gem. § 242 I StGB liegen demnach alle vor.

Rechtswidrig-

keit

Ein Rechtfertigungsgrund liegt nicht vor. T hat rechtswidrig gehandelt.

Tipp:

Rechtfertigungsgründe wären z.B.: Einwilligung, Notwehr oder rechtfertigender Notstand.

Schuld:

Schuldausschließungsgründe sind nicht einschlägig, so dass T auch schuldhaft gehandelt hat.

Tipp:

Schuldausschließungsgründe sind z.B.: § 19 StGB oder § 20 StGB

Ergebnis: T hat sich wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Mögliche Varianten:

         Versuch (§§ 242, 22, 23 StGB): Wäre T vor der Kasse gestoppt worden, wäre fraglich, ob bereits ein Gewahrsamswechsel stattgefunden hat → Versuch möglich.

  •  Rücktritt (§ 24 StGB): Nur, wenn T freiwillig vom Diebstahl zurücktritt (z. B. Schloss zurücklegt, bevor entdeckt).
  • Besonders schwerer Fall (§ 243 StGB): Nur prüfen, wenn SV Anhaltspunkte bietet (z. B. Einbruch, gewerbsmäßiges Handeln).

II. Körperverletzung (§ 223 StGB) mit Notwehr (§ 32 StGB)

Sachverhalt:

S steht an einer Bushaltestelle, als A ihn plötzlich wütend packt und ihm ins Gesicht schreit. Als A ausholt, um zuzuschlagen, stößt S ihn reflexartig kräftig von sich. A stürzt, fällt auf den Boden und verletzt sich am Arm. Die Polizei wird gerufen, und A zeigt S wegen Körperverletzung an.

Obersatz

S könnte sich wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

Tatbestand (objektiv)

Eine Körperverletzung liegt vor, wenn die körperliche Unversehrtheit oder Gesundheit eines anderen beeinträchtigt wird.
A hat durch den Stoß des S eine Verletzung am Arm erlitten → körperliche Misshandlung (+).

Tatbestand (subjektiv)

S handelte vorsätzlich, da er den Stoß bewusst und gewollt ausführte.

Rechtswidrig-

keit

Die Handlung könnte jedoch durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt sein.

  • Notwehrlage:
    A griff S rechtswidrig und unmittelbar körperlich an (A holte aus, um zu schlagen) → Angriff (+).
  • Notwehrhandlung:
    Der Stoß war geeignet, den Angriff sofort zu beenden, und für S das mildeste Abwehrmittel (Erforderlichkeit +).
  • Gebotenheit:
    Kein krasses Missverhältnis zwischen Angriff und Verteidigung; keine Einschränkungen aufgrund enger persönlicher Beziehung oder Bagatelle → Gebotenheit (+).

Schuld:

Schuldausschließungsgründe sind nicht einschlägig, so dass T auch schuldhaft gehandelt hat.

Tipp:

Schuldausschließungsgründe sind z.B.: § 19 StGB oder § 20 StGB

Ergebnis: S handelt in Notwehr gem. § 32 StGB, so dass die begangene Körperverletzung nicht rechtswidrig ist. S bleibt schlaflos.

Merke:

Im Strafrecht bringen klar strukturierte Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe besonders viele Punkte.

Wichtig:

Immer erst Tatbestand, dann Rechtswidrigkeit, dann Schuld prüfen – nicht umgekehrt.

  

D. Öffentliches Recht: Zulässigkeit vor Begründetheit

I. Im Verwaltungsrecht: Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO) –


Sachverhalt:

Die Stadt S erlässt gegenüber Bürger B eine Ordnungsverfügung, mit der ihm das Fahrradfahren auf allen öffentlichen Plätzen der Innenstadt untersagt wird.
Begründet wird dies damit, dass es in der letzten Zeit mehrfach zu Unfällen gekommen sei, bei denen Fußgänger auf dem zentralen Marktplatz von Radfahrern angefahren und teils verletzt wurden.
B selbst war an keinem dieser Unfälle beteiligt. Er hält das umfassende Verbot für überzogen und möchte es gerichtlich aufheben lassen.

Obersatz

B könnte mit einer Anfechtungsklage gemäß § 42 I Alt. 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Stadt S vorgehen.

ZULÄSSIGKEIT

(der Klage)

(1) Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs:
Öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, da es sich um hoheitliches Handeln einer Behörde gegenüber einem Bürger handelt (Erlass eines Verwaltungsakts i.S.d. § 35 VwVfG). → Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

(2) Statthafte Klageart:

B begehrt die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsakts → statthafte Klageart: Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO).

(3) Klagebefugnis (§ 42 II VwGO):

B behauptet, durch das Fahrradverbot in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) verletzt zu sein → Möglichkeit einer Rechtsverletzung gegeben (+).

(4) Vorverfahren (§ 68 VwGO):
Widerspruchsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt (sofern nach Landesrecht erforderlich).

(4) Klagefrist (§ 74 I VwGO):
Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung erhoben → Frist gewahrt (+).

Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO):
B als natürliche Person (+), Stadt S als juristische Person des öffentlichen Rechts (+).

Ergebnis zur Zulässigkeit:

Die Anfechtungsklage des S ist zulässig.

BEGRÜNDET-

HEIT

Die Klage ist begründet, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 I 1 VwGO).

  1. Ermächtigungsgrundlage:
    § 14 OBG NRW (bzw. die Generalklausel des jeweiligen Landesrechts) – zur Gefahrenabwehr bei konkreter Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.
  2. Formelle Rechtmäßigkeit:
    • Zuständigkeit: Ordnungsamt der Stadt S örtlich und sachlich zuständig (+).
    • Verfahren: Anhörung nach § 28 VwVfG erfolgt (+).
    • Form: Schriftform eingehalten (+).
  3. Materielle Rechtmäßigkeit:
    • Tatbestandsvoraussetzungen: Es muss eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegen.
      Nach dem Sachverhalt kam es in letzter Zeit mehrfach zu tatsächlichen Unfällen, bei denen Fußgänger verletzt wurden.
      Damit besteht eine konkrete Gefahr (+).
    • Bestimmtheit (§ 37 VwVfG): Verfügung ist hinreichend bestimmt (+).
    • Verhältnismäßigkeit:

Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein.

      • Geeignet: Das Verbot verringert Radverkehr auf den Plätzen und kann so weitere Unfälle vermeiden → (+).
      • Erforderlich: Mildere, gleich geeignete Mittel (z. B. zeitlich beschränktes Verbot, getrennte Wege, Geschwindigkeitsbegrenzung) wären denkbar → (+/–).
      • Angemessenheit: Das umfassende Verbot des Fahrradfahrens auf sämtlichen Plätzen der Innenstadt trifft auch unbeteiligte und bislang unauffällige Radfahrer (wie B) erheblich in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG).
        Der Schutz der Fußgänger ist zwar ein legitimes Ziel, doch die Maßnahme geht über das Erforderliche hinaus.
        → Die Maßnahme ist unangemessen (–).

Ergebnis zur Begründetheit:

Der Verwaltungsakt ist materiell rechtswidrig. Die Ordnungsverfügung ist rechtswidrig und verletzt B in seinen Rechten (Art. 2 I GG).

Ergebnis: Die Klage ist zulässig und begründet. Der Verwaltungsakt ist aufzuheben (§ 113 I 1 VwGO).

Klausur-

hinweis:

Dieses Beispiel eignet sich hervorragend, um die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Begründetheit zu trainieren.
Gerade die Abwägung bei der Angemessenheit ist in fast jeder öffentlich-rechtlichen Klausur der Punkt, an dem differenzierte Argumentation gefragt ist.

Klausur-

typisch:

           Bei Eilrechtsschutz (§ 80 V VwGO) prüfst du zusätzlich:

1.    Statthaftigkeit,

2.    Antragsbefugnis,

3.    Rechtsschutzbedürfnis,
und dann summarisch die Erfolgsaussichten der Hauptsache + Interessenabwägung.

           Zulässigkeit immer zuerst, Begründetheit danach – das ist Pflichtstruktur in jeder ÖR-Klausur!


E. Tiefenstruktur „auf Autopilot“: So planen Sie Ihre Klausurzeit

  • 20 % Lesen & Strukturieren: Parteien, Zeitpunkte, Rechtsnatur von Handlungen markieren; Reihenfolge festlegen (ZivilR: wer will was von wem woraus; StrafR: TB/RW/Schuld; ÖR: Zulässigkeit/Begründetheit).
  • 70 % Schreiben im Gutachtenstil: Pro Prüfungspunkt ein klarer Mini-Viererschritt (Obersatz–Definition–Subsumtion–Ergebnis).
  • 10 % Kontrolle: Ergebnisse konsistent? Normen korrekt? Reihenfolge sauber? Orthografie/Gliederung kurz prüfen.

F. Extra: Formulierungswerkstatt - Einleitung der Prüfungen (kompakt)

Einleitungssatz-Varianten:

  • „Zu prüfen ist, ob …“ / „Fraglich ist, ob …“ / „Es stellt sich die Frage, ob …“

Definition-Varianten:

  • „Das ist der Fall, wenn …“ / „Voraussetzung ist, dass …“ / „Erforderlich ist …“

Subsumtions-Varianten:

  • „Laut Sachverhalt …“ / „Aufgrund dessen …“ / „In Anbetracht der Tatsache, dass …“ oder (sofort die jeweilige Stelle im Sachverhalt wiedergeben).

Zwischenergebnis-Varianten:

  • „Demnach …“ / „Somit …“ / „Folglich …“ / „Mithin …“

Streitstände kurz und punktesicher

  • Nur relevante Streitfragen ansprechen.
  • Knappe Positionierung: „Die herrschende Meinung überzeugt, weil … (Telos/Systematik/Praktikabilität).“
  • Der Ansicht, der man nicht folgt (sollte immer die Mindermeinung sein) zuerst darstellen. Und nach jeder Darstellung der Ansicht ist zu subsumieren.

Im Anschluss die Ansicht darstellen, der man folgt (sollte immer die h.M. sein). Auch hier ist zuerst zu subsumieren.

Zum Schluss den Streitentscheid darstellen und zum Zwischenergebnis gelangen, bevor das nächste Merkmal/Voraussetzung geprüft wird.


G. Häufige Fehler – und wie Sie sie vermeiden

  1. Nacherzählung statt Prüfung: Kein Roman, sondern Prüfschritte.
  2. Definitionen vergessen/verwechseln: Ohne Definition keine belastbare Subsumtion.
  3. Reihenfolge beachten: Immer vom grundsätzlichen zum besonderen, sauber schachtelnd prüfen.
  4. Ergebnisse fehlen: Zwischenergebnisse nach jedem Hauptschritt sichern die Linie.
  5. Zu breit, zu kurz, zu spät: Zeitmanagement diszipliniert halten (20%/70%/10%).

H. Fazit

Der Gutachtenstil ist Ihr Kompass: gleiche Schritte, egal ob Zivilrecht, Strafrecht oder Öffentliches Recht sowie Nebengebiete.
Wenn Sie konsequent in Obersatz–Definition–Subsumtion–Ergebnis prüfen, werden selbst komplexe Fälle handhabbar — und bewertbar. So entsteht aus Wissen Struktur und aus Struktur Punktesicherheit.


Juristische Methodik ist kein Zufallsprodukt – sie ist das Fundament eines erfolgreichen Studiums.
Gerade der Gutachtenstil entscheidet, ob eine Klausur logisch, nachvollziehbar und prüfungsreif aufgebaut ist.

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